Manfred Fankhauser 

Der Cannabisapotheker

Langnau / Schweiz - 10.12.2015, 17:14 Uhr

Einsatz für die Hanfmedizin: Manfred Fankhauser nimmt die Reinsubstanz Dronabinol aus dem Tresor seiner Apotheke. (Bilder: Bahnhof-Apotheke)

Einsatz für die Hanfmedizin: Manfred Fankhauser nimmt die Reinsubstanz Dronabinol aus dem Tresor seiner Apotheke. (Bilder: Bahnhof-Apotheke)


In der Schweiz dürfen natürliche Cannabispräparate an Patienten abgegeben werden. Dennoch ist Manfred Fankhauser der einzige Apotheker in der Schweiz, der Marihuana selbst anbaut und weiterverarbeitet - mit offizieller Genehmigung natürlich. Stephanie Hanel hat ihn interviewt.

DAZ.online: Was war Ihr Anstoß für die Beschäftigung mit Medizinalhanf?

Manfred Fankhauser: Nach dem Pharmaziestudium schrieb ich meine Doktorarbeit über Cannabis. Mein Glück war, dass das Interesse an diesem Thema gerade wieder zu wachsen begann und ich schon damals sowohl von Patienten als auch von Ärzten kontaktiert wurde. So bemerkte ich: Da sind viele Menschen, die darauf hoffen, ihre Schmerzen durch Cannabis lindern zu können. 

DAZ.online: Können Sie uns die gesetzliche Lage in der Schweiz schildern?

Fankhauser: Vor Juli 2011 war alles verboten, was aus Hanf gewonnen wurde, also Hanf und auch seine Abkömmlinge. Ich wusste aber, dass eine Firma in Deutschland in der Lage war, reines THC, also Tetrahydrocannabinol, künstlich herzustellen, das heißt ohne Hanf. Daraufhin bin ich dann vor mittlerweile neun Jahren zu den Behörden gegangen und habe  auf diese Gesetzeslücke hingewiesen. Dadurch erhielten wir die Bewilligung, mit künstlichem, synthetisch hergestellten, THC zu arbeiten. Das war der einzige Weg bis 2011, und dann gab es eine 180-Grad-Wendung in der Schweiz. Nun durften Cannabis-Präparate wieder verwendet werden – also auch natürliche Präparate – allerdings mit bestimmten Auflagen. Ein wichtiger Unterschied zu Deutschland: Man darf in der Schweiz nur Zubereitungen, also Öl oder Tinktur, verwenden, nicht aber das Kraut. Das Kraut, sprich Marihuana, ist nicht verschreibbar, auch nicht in Sonderfällen. Dafür ist dann diese Tinktur, wie wir sie verwenden, wiederum nicht in Deutschland erlaubt.

Hanfanbau für die Bahnhofsapotheke - das Feld, gesichtert und genehmigt.

DAZ.online: Wie sieht das konkret aus - dürfen Sie Cannabis selbst anbauen?

Fankhauser: Für unser Öl und unsere Tinktur verwenden wir Pflanzen, die wir in der Schweiz anbauen lassen. Wir haben ein eigenes Feld, das gesichert sein und die Auflagen vom Bundesamt für Gesundheitswesen erfüllen muss. Ein normaler Bauer könnte diese Auflagen nie erfüllen. Daher arbeitet für uns eine Firma, die sich auf Heilpflanzen-Anbau spezialisiert hat. Wir sind ein Dreier-Gespann: Neben uns ist das die Firma, die die Pflanzen anbaut, und ein Chemiker, der die Tinktur und das Öl herstellt und dann das entsprechende Analyse-Zertifikat erstellt. Wir bekommen die Genehmigung nur in diesem Verbund. Das heißt, die Firma kann auch nicht im Vorhinein und auf Vorrat mehr produzieren, sondern es ist ganz klar festgelegt: 200 Pflanzen gehen an die Bahnhof-Apotheke und auch nur dahin. Um eine Größenordnung zu nennen: Wir konnten vor zwei Monaten 300 Kilo Marihuana ernten und werden daraus die nötige Menge an Präparaten für die nächsten zwei Jahre herstellen.

DAZ.online: Wieso ist Ihre Apotheke die einzige mit der speziellen Zulassung, die entsprechenden Arzneimittel auch selbst herzustellen?

Fankhauser: Grundsätzlich kann das jede Apotheke machen. Der Grund sind schon die Hürden, die andere Apotheken abschrecken. Auch die Zeit - wenn sie sich heute entscheiden würden, das zu machen, verginge ein Jahr, bis sie die ersten Pflanzen hätten. Das ist ein Langzeitprojekt!

DAZ.online: Was sind die wichtigsten Einsatzgebiete Ihrer Arzneimittel?

Fankhauser: Die wichtigste Patientengruppe sind Schmerzpatienten. Insbesondere Schmerzen in Verbindung mit Spastik, also MS-Patienten. Es können auch Tumorschmerzen sein oder Nervenschmerzen. Zwei Drittel aller Patienten fallen in diese Gruppe. Und dann neurologische Störungen, also beispielsweise unkontrollierte Bewegungen, Tics, Tourette-Syndrom, Restless Legs. Und eine wichtige Patientengruppe, die aber nicht so groß ist, sind Patienten, die unter Appetitlosigkeit leiden, also Tumorpatienten oder Menschen, die an HIV leiden. Und noch etwas ganz anderes: das Glaukom, also für die Behandlung des grünen Stars.

DAZ.online: Die therapeutische Verwendung von THC-haltigen Arzneimitteln verursacht keine Abhängigkeitsprobleme - woran liegt das?

Fankhauser: Wenn man Cannabis als Rauschmittel konsumiert, ist das eine komplett andere Dosierung. Jemand, der kifft, hat jeden Tag eine Überdosierung. Bei der therapeutischen Anwendung ist man weit weg von diesen Mengen. 

DAZ.online: Wie hoch ist der Beratungsbedarf der Kunden, die zu Ihnen kommen?

Fankhauser: Sehr hoch. Insbesondere die Betreuung. Zuerst gibt es so eine Art Eintrittsgespräch: Auch wenn einige Patienten durch Selbsthilfegruppen gut informiert sind, bleibt immer noch viel zu klären. Und dann muss das Medikament aber auch eingestellt werden. Die Ärzte delegieren da schon Etliches an uns, weil wir die Erfahrungswerte haben. Und die Patienten rufen zu Beginn durchaus zwei- bis dreimal in der Woche an und haben Fragen zur Dosierung oder haben nach zehn Tagen noch keine Wirkung gespürt. Da kommt dazu, dass das schwerst leidende Patienten sind, teilweise auch austherapierte Patienten - da können Sie nicht nach fünf Minuten einfach das Telefonat beenden.

DAZ.online: Wie bewältigen Sie das im täglichen Apothekengeschäft?

Fankhauser: Wir sind zu viert, also drei Pharma-Assistentinnen und ich, die wir speziell für diesen Bereich zusammenarbeiten. Und wir haben innerhalb der Apotheke eigene Räume geschaffen. Wir haben zurzeit etwa 600 Patienten. Da können Sie sich ja vorstellen, wie das ist, wenn von diesen Sechshundert auch nur jede zehnte Person eine Frage hat. Wir bekommen pro Tag zwischen 30 und 50 Anrufe und Mails. Zu Beginn war das schwierig, wenn ich dann immer ans Telefon gerufen wurde. Seit zwei Jahren haben wir eine eigene Telefonlinie, die von dem normalen Apothekendienst separiert ist. 

Hanfernte: Aus 300 Kilo Marihuana können Mittel für zwei Jahre hergestellt werden.

DAZ.online: Wie sind die Reaktionen, die Sie aufgrund Ihres Einsatzes für die Hanfmedizin erfahren?

Fankhauser: Man traut mir zu, dass ich seriös damit arbeite. Auch die Bevölkerung hier im Dorf findet es eher spannend und interessant, und von den Patienten her ist es natürlich sowieso so, dass man da offene Türen eingerannt hat. Insgesamt also ist die Akzeptanz sehr gut. Eher gibt es noch Bedenken von Seiten der Ärzteschaft, aber die Akzeptanz nimmt auch hier zu. Seit es in Deutschland und der Schweiz ein zugelassenes registriertes Cannabis-Präparat gibt, das Spray für MS-Patienten, hat sich viel verändert - das war so eine Art Ritterschlag.

DAZ.online: Hat sich Ihre Arbeit als Apotheker gewandelt?

Fankhauser: Ja, es ist eine Möglichkeit, das nötige Rüstzeug, das man in der Ausbildung mitbekommt, auch nutzen zu können und nicht nur der ‘Krämer mit akademischer Ausbildung’ zu sein. Mittlerweile ist dieser Bereich ein wichtiges Standbein unserer Apotheke geworden. Und außerdem ist es für mich auch sehr herausfordernd - ich komme mit vielen Menschen zusammen, mit Spezialisten, mit Ärzten, mit Menschen, mit denen ich normalerweise als Apotheker nicht zusammengekommen wäre, und lerne täglich wahnsinnig viel dazu!

DAZ.online: Sie haben ein Buch mit dem Titel “Haschisch als Medikament” veröffentlicht. Für welches Zielpublikum ist es geschrieben?

Fankhauser: Das Buch ist eine pharmaziehistorische Arbeit. Es ist keine Laborarbeit, und es sind auch keine neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse darin enthalten. Der Untertitel des Buches beschreibt es eigentlich ganz gut: “Zur Bedeutung von Cannabis in der westlichen Medizin”. Das Buch stellt dar, was es für Präparate gegeben hat, für wen, und wie sie eingesetzt wurden. Das Spannende dabei ist: Wenn wir das Rad Hundert Jahre zurückdrehen würden, würden wir darüber gar nicht diskutieren. Vor 100 Jahren war Cannabis ein ganz normales Arzneimittel.

Hier kommen Sie zur Webseite der Bahnhof-Apotheke in Langnau.


Diesen Artikel teilen:


1 Kommentar

Heilung

von Pascal pittermann am 16.08.2017 um 16:32 Uhr

Hallo ich lebe in Deutschland und leide unter spastischen Problemen und epilepsie seit meiner Geburt. Kann und darf ich zu Ihnen kommen?

Mit freundlichen Grüßen

Pascal pittermann

» Auf diesen Kommentar antworten | 0 Antworten

Das Kommentieren ist aktuell nicht möglich.